Süßer der Rückfall nie lockt

22.12.2018 04:48
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Süßer der Rückfall nie lockt

von Harald Frohnwieser aus Alk Info

Weihnachten ist für viele Alkoholiker, auch wenn sie es geschafft haben, trocken zu sein, oft ein wahrer Gefühls-Tsunami. Da werden alte Erinnerungen wach, in denen die stillste Zeit des Jahres auch tatsächlich eine solche war. Zeiten, wo es noch eine Familie gab, wo man mit dem Partner, der Partnerin feierte. Zeiten, in denen Kinderaugen unter dem Weihnachtsbaum glänzten oder wo man mit den Eltern oder guten Freunden das Fest harmonisch feierte. Unzählige leergetrunkene Flaschen später ist dann alles anders: die Beziehung in Brüche, die Kinder längst fort und wollen nichts mehr von einem wissen. Um das Fest aber dennoch einigermaßen gut – und vor allem trocken – zu überstehen, geben zwei Experten, Chefarzt Prim. Dr. Georg Psota vom Psychosozialen Dienst in Wien und der ehemalige Leiter des Suchtkrankenhauses Maria Ebene in Frastanz in Vorarlberg, Prof. Dr. Reinhard Haller, „Alk-Info“ Lesern wertvolle Tipps.

„Der Monat Dezember mit seiner gesellschaftlich scheinbar erwünschten alkoholangereicherten Dynamik ist für Alkoholkranke in unseren Breiten zweifelsohne eine besondere Belastungsprobe“, weiß Prim aus seiner langjährigen Erfahrung als Experte für psychische Erkrankungen. Wie aber kann man dem als Betroffener entgehen, ohne weitgehenden sozialen Rückzug? „Abgesehen davon, dass man sich klar machen kann, dass die überwiegende Zahl der alkoholischen Punschgetränke unglaublich grausliches Zeug liefert und derartige Angebote nicht einmal einen Rückfall verdienen, abgesehen davon kann man auch darauf bestehen, alkoholfreie Punschgetränke zu konsumieren. Und etliche davon sind tatsächlich gut“, ist Psota überzeugt, dass man auch ganz ohne Alkohol in eine festliche Stimmung kommen kann.
Was den Chefarzt des Psychosozialen Dienst besonders ein Anliegen ist: „Es ist auch erlaubt sich diese Frage zu stellen und diese Frage auch anderen zu stellen, ob kollektives Punsch trinken für irgendwelche mehr oder weniger guten Zwecke wirklich die adäquate Aktivität des Advent ist.“ Doch der Experte ist sich natürlich bewusst, dass die Weihnachtszeit eine besondere Herausforderung für Alkoholkranke ist. „Diese Zeit mit ihren zahlreichen Möglichkeiten der zusätzlichen Spannung und Komplizierung in Beziehungen und intra- und interfamiliärer Konflikte ist noch einmal ein anderes Thema an möglichen Stolpersteinen für Alkoholkranke.“ Aber: „Es gibt keine Jahreszeit, zu der man einen Rückfall erleiden kann, aber in der Advent- und Weihnachtszeit schon gar nicht.“
Nicht-alkoholisches Getränk seiner Wahl bestellen
Doch wie kann man dem von der Gesellschaft und auch von der Werbung vorgegebenen Druck, zu Glühwein, Punsch oder Sekt zu greifen, umgehen? Psota: „Es ist leider so, dass gerade im Dezember vermehrt alkoholische Getränke angeboten und fast schon aufgezwungen werden, umso mehr ist es für Alkoholkranke wichtig ein klares Konzept zu haben. Einige Tipps dazu: Wenn man ausgeht oder eingeladen wird, dann sollte man ein nicht-alkoholisches Getränk seiner Wahl bestellen, am besten eines, dass einen schmeckt. Dabei sollte man klar und beharrlich sein. Es geht niemanden auf der Welt etwas an, warum man keinen Alkohol trinkt, dass braucht nicht das Problem des Betroffenen sein.“
Beratende Hilfe holen
Es ist in der Natur der Sache, dass gerade in der Weihnachtszeit Beziehungen zu einem noch stärkeren Thema werden als sie es sonst ohnehin schon sind. Dazu Dr. Psota: „Generell muss niemand gerade vor Weihnachten die Beziehungskonfliktsituationen suchen, auch nicht im Sinne des ,Sich-hineinziehen-lassens'. Wenn das sehr schwer fällt und es auf der einen oder anderen Weise misslingt, dann sollte man sich beratende Hilfe holen, es gibt einige Möglichkeiten dazu. Dabei kann das Telefon eine gute Unterstützungsressource sein.“ Freilich sollte man rechtzeitig zum Hörer greifen: „Am besten bevor der große Rausch oder die große Depression kommt.“ Nachsatz: „Viele alkoholkranke Menschen haben beträchtliche Energien, dessen sollte man sich bewusst sein und diese Energien auch verwenden.“
Abstinenz als Elitäres präsentieren
Auch der ehemalige Leiter des Suchtkrankenhauses Maria Ebene in Frastanz in Vorarlberg, Prof. Dr. Reinhard Haller, weiß um die Rückfallgefahren rund um Weihnachten Bescheid. „Das Risiko ist um diese Zeit besonders hoch, denn Weihnachten ist emotional sehr belastet, weil es ein Fest des Gemüts ist. Das berührt, da kommen Wehmut, Trauer, alte Kränkungen auf. Deshalb gibt es hier auch mehr Rückfälle als sonst“, bringt er die Stimmungslage vieler Alkoholkranken auf den Punkt. Wichtig ist für ihn, dass die Krankheit am Arbeitsplatz nicht verheimlicht wird, denn „da fällt ein großer Druck weg“. Und: „Man sollte seine Abstinenz als etwas Elitäres und nicht als etwas Defizitäres präsentieren.“ So wie Dr. Georg Psota rät auch Haller davon ab, sich zurückzuziehen: „Das wäre fatal.“ Um an Weihnachten nicht alleine zu sein, nimmt das Krankenhaus Maria Ebene auch ehemalige Patienten, die Angst vor einem Rückfall haben, auch kurzfristig für ein paar Tage auf, damit sie während der Feiertage nicht ganz alleine sind. Selbstverständlich kann man auch in der Klinik anrufen und sich telefonisch die Seele etwas freier reden.
Wie ein Tunnel, durch den man durch muss
Wichtig ist für den Suchtexperten, der auch als Buchautor erfolgreich ist, sich rechtzeitig auf die Weihnachtszeit einzustellen, damit man gewappnet ist. „Man sollte Kontakte suchen. Wertvolle Gespräche sind in dieser Zeit besonders wichtig“, rät er. Und wenn ein Rückfall dennoch passiert? „Dann sollte man sofort Hilfe suchen. Ich vergleiche das mit einem Auto, das in einem Schneehaufen gelandet ist. Wenn man dann noch Gas gibt, dann steckt man nur noch tiefer fest.“ Eines sollte man sich, so Haller, besonders bewusst sein: „Ein Rückfall ist keine Schande!“ Auch für den anerkannten Psychiater ist es wichtig, dass man Hilfe sucht: „Man sollte schon vorher schauen, dass man ein Selbsthilfenetz zur Verfügung hat. Viele unserer ehemaligen Patienten rufen andere Patienten, mit denen sie gemeinsam auf Therapie waren, an. Es kann eine sehr große Hilfe sein, sich jemandem anzuvertrauen, der ebenfalls in einer solchen Lage ist oder zumindest einmal war.“ Einen Trost für alle, deren Stimmungsbarometer vor und während der Feiertage ein Tief anzeigt, hat Reinhard Haller noch: „Weihnachten ist wie ein sensibler Tunnel, durch den man durch muss. Wenn das Fest vorbei ist und man aus dem Tunnel wieder raus kommt, dann schaut es wieder besser aus.“

Theodor


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22.12.2018 20:10 (zuletzt bearbeitet: 22.12.2018 20:12)
avatar  Heidrun
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Vielen Dank für den Artikel Theo.Ich mache mir auch gerade Gedanken , wie es wohl vielen von uns in der Weinachtszeit ergehen wird.Weinachten ist für viele Alkoholiker schlimm, gerade wenn sie durch ihre Sucht alles verloren haben.
Ich möcht auf diesem Forum nur allen ein ruhiges ,suchtdruckfreies und gesundes Weinachten wünschen.
Bleibt stark , wenn ihr es nicht schafft holt euch rechtzeitig Hilfe.
Also in diesem Sinne bis nächstes Jahr


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23.12.2018 04:44
avatar  Theodor
#3
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Danke für die Wünsche Heidrun!

Weihnachten und der Rückfall gingen bei mir meistens Hand in Hand. Immer nahm ich mir vor das es dieses Jahr nicht passieren würde, aber an Heilig Abend sahs ich dann doch allein in meinem Zimmer und heulte in einer Tour. Es kamen dann soviel Sachen hoch die ich ohne Betäubung gar nicht aushalten konnte.
Manchmal half es mir das ich einfach in eine Christmette ging, nicht das ich gläubig bin aber ich suchte ruhe und andere Menschen um mich rum. Auch sog ich einfach nur die Atmosphäre in mich auf, auch wenn ich betrunken war half es mir die Nacht zu überstehen.
Es ist komisch das ich ausgerechnet an Weihnachten vor nunmehr acht Jahren trocken wurde. Aber auch heute noch beschleichen mich an Weihnachten diese Gefühle des allein seins, ich gehe nur heute ganz anders damit um und sehe alles, dank meiner Trockenheit, in einem anderen Licht.
Ich denke an Weihnachten auch immer viel an Freunde und Bekannte, die immer noch in ihrer Sucht gefangen sind. Ich vergesse auch nicht die Jahrzehnte und Weihnachtszeiten, die ich selbst im Tran verbracht habe und rate ihnen immer wieder, geht raus und sucht euch Hilfe egal welcher Art. In Erbach könnt ihr z.b. an Heiligabend in das Selbsthilfezentrum gehen, dort war ich vor einem Jahr auch dabei und es war sehr schön!
Sicher gibt es auch in anderen Städten ähnliche Angebote, ihr müsst nur aktiv suchen dann findet ihr auch etwas in eurer nähe!

Theodor


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