Trinkende Angehörige von trockenen Alkoholikern

24.01.2015 19:10
avatar  Texi
#1
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Ich möchte einmal fragen wie es anderen trockenen Alkoholikern geht deren Angehörige und Freunde noch trinken. Auf meinem Weg in die Trockenheit habe ich fast alle Freunde verloren, weil sie weiterhin Alkohol tranken, manche in bedenklichen Mengen. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht und einige grüßen kaum noch. Mit einer nüchternen texi konnten sie wohl nichts anfangen und mir fällt es schwer Besoffene zu ertragen. Was mich heute noch beschäftigt ist mein Freund (früher Lebensgefährte) der
täglich trinkt, er ist wohl Alkoholiker, hat aber nicht die Absicht sein Bier zu lassen. Wenn er zu besoffen ist, gehe ich heim. Bei mir im Haus wohnt mein Sohn, er hat auch ein Alkoholproblem. Wenn er heimkommt und fällt besoffen die Treppe hinauf, beginnen in meinem Kopf die Gedanken zu kreisen. Ich fühle mich erschreckend hilflos, oft denke ich dann, dass sich meine Angehörigen auch so gefühlt haben. Ich habe hart daran gearbeitet, solche Gedanken nicht überhand nehmen zu lassen,
aber meistens gelingt es mir und ich denke wieder positiv. Wie geht ihr um mit trinkenden Angehörigen und Freunden?
LG texi


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25.01.2015 10:58 (zuletzt bearbeitet: 29.01.2015 11:30)
avatar  Theodor
#2
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Hallo Texi, ich stecke zwar nicht in solch einer Situation, aber mir fiel da eben ne Menge ein! Was ich Dir jetzt erzähle klingt vielleicht wie ein Witz, aber ich konnte, jedenfalls in den letzten zwanzig Jahren, noch nie einen Trinker in meiner Umgebung ertragen. Mit meinem Sohn hatte ich, als er noch bei mir lebte, dasselbe Problem. Ich erinnere mich daran wie ich ihn eines morgens wecken wollte und sein Zimmer total nach Alkohol stank. Gut das kam öfter vor, aber jetzt standen dort lauter hochprozentige Flaschen rum. Ich schrie ihn an und verlangte, dass er sofort in die Küche kommen sollte, tja und dann kam mal wieder einer meiner unzähligen Standpauken (…natürlich Besoffene einseitige Dialoge) Irgendwann rastete er dann aus, was willst du eigentlich? Willst du mir das Trinken verbieten? Guck dich doch mal an und ich wette dass dein Büro vor lauter Flaschen wieder aus allen Nähten quillt! Gottseidank hatte ich einen lichten Moment. Nein das kann ich nicht und ja sieh dir mich mal an! Aber eins kann ich, ich kann dir verbieten es in meinem Haus zu machen!
Er hatte es von dort an nie wieder gemacht. Ich erinnere mich daran so gut, weil ich vor ein paar Monaten noch mit ihm darüber gesprochen habe. Ich fragte ihn warum er ausgerechnet da auf mich gehört hatte und er sagte: es waren deine Augen, ich sah auf einmal wie wichtig es dir das war.
Heute Trocken, geht es mir immer noch so, dass ich es kaum ertragen kann, obwohl ich sehr viel damit zu tun habe. Es ist bei mir ähnlich wie bei Dir, ich fühle mich unendlich hilflos! Ich meine, du redest, redest und redest, trotzdem trinkt dein gegenüber weiter. Und sind wir mal ehrlich, wir waren ja genauso, das eine Ohr rein das andere raus! Das einzige was wir meiner Meinung nach machen können ist es vorzuleben! Recht hast du, wenn du bei deinem Freund (wenn er besoffen ist) einfach nach Hause gehst! Ich würde es genauso machen! Ich würde mich da auch erst mal in Sicherheit bringen!!! Anders ist es natürlich bei deinem Sohn, dem kann man ja nicht aus dem Weg gehen! Vielleicht hilft dir ja die Erinnerung die ich eben hatte, und es gelingt dir ihm klar zu machen wie wichtig es für dich ist! Ich wünsch Dir dazu viel Kraft und bleib Standhaft!

Theodor


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10.02.2015 14:32 (zuletzt bearbeitet: 10.02.2015 14:33)
avatar  Karin
#3
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Hallo Texi, ich bin immer noch dabei mich durch die Seiten zu wurschteln und habe dabei deinen Beitrag gefunden. Das ist auch für mich immer wieder eine Herausforderung.
Von meinem Mann habe ich mich 2001 getrennt weil ihm seine täglichen Biere wichtiger waren wie unsere Ehe.Er hätte wohl auch lieber gesehen, ich würde weitertrinken. Da war ich bedeutend pflegeleichter. Obwohl wir eine gut funktionierende Zweckgemeinschaft waren und er auch nicht täglich betrunken war,habe ich diesen Schritt gemacht. Es war wohl die Angst, wenn ich so an seiner Seite weiterlebe, könnte ich doch wieder zum Alkohol greifen. Ich hätte von seiner Seite keine Hilfe zu erwarten und ich wollte mir meinen schwer erkämpften Sieg über den Alkohol nicht durch so etwas kaputt machen. Ich hatte kapiert, dass ich alleine für mein Leben verantwortlich bin.
Nun lebe ich seit 4 Jahren in einer glücklichen Beziehung. Mein Lebensgefährte hat vor vielen Jahren mal seine Fahrerlaubnis verloren weil er unter Alkohol gefahren ist. Schlimm, weil seine Frau schwer krank war. Das war ein entscheidendes Erlebnis für ihn. Jetzt trinkt er nur in Gesellschaft d.h. Familienfeiern, wenn im Sommer am WE unsere Nachbarn aus Berlin kommen und wir dann gemeinsam am Feuer sitzen oder wenn er zum Preisskat geht. Dann passiert es auch das er betrunken ist.
Wir haben von Anfang an eine Absprache getroffen. Ich kann ihm nicht verbieten Alkohol zu trinken aber ich wenn es so kommt soll er mich in Ruhe lassen. Ich richte es immer so ein, dass ich mir für den Abend etwas anderes vornehme. Aber die Gefühle sind immer die selben.Oft habe ich Magenschmerzen. Ich bin schlecht gelaunt, frage mich in welchem Zustand er wohl nach Hause kommt. Male es mir in den schlimmsten Farben aus...und bin dann über mich selber wütend wenn gut ausgeht. Aber es geht ebend nicht immer gut.
Auf Familienfeiern bin ich meist die erste, die sich zurück zieht. Bis zu einem bestimmten Punkt ertrage ich es und dann ziehe ich nur noch die Reißleine zum Selbstschutz. Ich muss mir das nicht anschauen und behalte so, den für mich angenehmen Teil in Erinnerung. Über mich wissen alle Bescheid und es gibt da keine Probleme.
Die jenigen, die sich früher Freunde genannt haben um mich dann fallen zu lassen, die kann ich heute verschmerzen. Heute...aber am Anfang hat es schon weh getan.

Karin


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10.02.2015 16:34
avatar  Friedel
#4
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Karin, Du hast mir aus der Seele geschrieben. Wie sich die Erlebnisse immer ähneln. Ist schon eine tolle Sache dieses Forum, man kann sich darin immer wieder finden.
LG Friedel


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10.02.2015 17:53
avatar  Texi
#5
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Mit trinkenden Angehörigen haben wohl viele Leute Probleme, besonders am Anfang der Trockenheit.
Ich habe mich zurückgezogen von Familienfesten, Fastnacht, Straßenfest usw. weil ich den Anblick trinkender Menschen nicht ertragen konnte. Aber eigentlich war ich neidisch, die dürfen und ich nicht.
Das hätte ich aber damals nie zugegeben. Wer was trinkt ist mir heute egal solange er nicht bei mir im Bett liegt. Bei meinem Freund ist die Lage natürlich wieder anders, er ist jeden Abend besoffen. Sein Bier ist ihm lieber als ich. Eigentlich sollte ich mich von ihm trennen, aber dann bin ich noch mehr allein.
Zu dem Schritt fehlt mir noch der Mut.

LG Texi


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10.02.2015 18:53
avatar  Karin
#6
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Ja Texi,du schreibst es selber. Dir fehlt noch der Mut. Die Einsamkeit empfindest du im Moment schlimmer als den betrunkenen Freund. Irgendwann ist der Leidensdruck vielleicht so groß, dass du den nächsten Schritt gehst. Ich wünsche dir Kraft dazu. Ich sammel leidenschaftlich Sprüche und mit fällt spontan ein passender ein.

Allein sein müssen ist das Schwerste,
allein sein können das Schönste.

LG Karin


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