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Die besondere Rolle von Angehörigen in der Suchtselbsthilfe
Ist ein Mensch von einer Suchterkrankung betroffen, stellt dies auch enorme Anforderungen an sein engstes Umfeld: an Familie und Freunde. Mit der täglichen Belastung umzugehen, ständig mit der Abhängigkeisterkrankung des Partners oder einem Elternteil konfrontiert zu sein, überfordert Angehörige nicht selten.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat in diesem Zusammenhang ein bemerkenswertes Memorandum veröffentlicht, das die Rolle von Angehörigen in der Suchtselbsthilfe umfassend und reflektiert beschreibt. Dabei wird die besondere Stellung der Angehörigen ebenso hervorgehoben wie mit falschen und veralteten Sichtweisen – vor allem dem Begriff der »Co-Abhängigkeit« – aufgeräumt wird.
Selten sucht ein Angehöriger Hilfe für seine eigene Situation
In dem Memorandum wird darauf hingewiesen, dass Besorgte und ratlose Angehörige oftmals als erste Kontakt zum Suchthilfesystem aufnehmen und Hilfemöglichkeiten für das betroffene Familienmitglied erfragen. Selten geht es ihnen dabei um Hilfe für die eigene Situation. Dabei stehen Angehörige oftmals unter enormen Leidensdruck:
Die täglichen Belastungen können bei den Angehörigen zu Schuld- und Schamgefühlen, zu Wut, Verzweiflung und Ohnmacht, wie auch zu psychosomatischen Symptomen wie Bluthochdruck, Schlaflosigkeit, Erschöpfung, nicht zuletzt zu Ängsten und Depressionen etc. führen.
Warum »Co-Abhängigkeit« nicht stimmt!
Wichtig ist also, Angehörige als unterstützungsbedürftig anzusehen, doch nicht als erkrankt zu verstehen! In diesem Zusammenhang kritisiert die DHS den veralteten Begriff der »Co-Abhängigkeit« zurecht:
In der SuchtSelbsthilfe und in der beruflichen Suchthilfe wurde das Konzept der »Co-Abhängigkeit« populär, weil es – vordergründig einleuchtend – die oft krankheitsfördernden Dynamiken innerhalb des von der Suchterkrankung eines Familienmitgliedes belasteten Familiensystems zu erklären versucht. Dementsprechend wurde und wird bis heute vielfach von einer »Suchtfamilie« bzw. von der »suchtkranken Familie« gesprochen, wenn ein Familienmitglied unter einer Abhängigkeitserkrankung leidet. […] Nach dem Konzept der »Co-Abhängigkeit« werden Angehörige gleichermaßen zu potenziell Kranken erklärt, deren Heilungsweg ausschließlich in Form von Abgrenzung zum Suchtkranken möglich ist, unabhängig vom Wunsch des belasteten Paares bzw. des Angehörigen.
Die DHS weißt somit darauf hin, dass Angehörige sowie die suchtmittelabhängigen Partner/innen unbedingt differenziert zu betrachten sind. Angehörige haben ein Recht auf individuelle Betrachtung ihrer Bedarfe und Bedürfnisse sowie auf individuell abgestimmte Hilfsangebote. Die Zuschreibung der »Co-Abhängigkeit« hingegen verunsichere und schwäche die Angehörigen zusätzlich, sie würdige weder die ernstgemeinten und konstruktiven Bemühungen, das suchtkranke Familienmitglied zu unterstützen, noch nehme sie die vielen (unter erschwerten Lebensbedingungen mobilisierten) Stärken und Bewältigungsstrategien Angehöriger ernst. Zudem werde es für Angehörige schwieriger, angemessen für sich selbst zu sorgen und bei Bedarf einen eigenen Zugang zu einem für sie angemessenen Hilfesystem zu finden, wenn sie mit einer stigmatisierenden Zuschreibung rechnen müssen.
Die Überlegungen und Anregungen im DHS-Memorandum sind ein wertvoller Beitrag zur Sensibilisierung unserer DRK-Gruppenleitungen und ehrenamtlich Tätigen im Umgang mit Angehörigen in der Suchtselbsthilfe. Den vollständigen Text des Memorandums kann man als PDF auf den Seiten der DHS einsehen.
Heute möchte ich mich nun zu diesem Thema melden. Am Sorgentelefon erfahre ich aus erster Hand, wie alleine und hilflos sich die Angehörigen fühlen. Wieviel Fragen da offen sind und offen bleiben. Auch das Treffen von Angehörigen in Kassel hat gezeigt wie wichtig es ist, Angebote zu schaffen bzw auszubauen. Die oft schon verzweifelten Angehörige suchen in erster Linie einen Weg für den Suchterkrankten in ihrer Familie. Erleben sie doch alle Höhen und Tiefen mit. Da geht soviel Kraft drauf. Tanken könnten sie diese in den Selbsthilfegruppen, die aber leider nicht überall vorhanden sind. Aber dort treffen sich die Profis, die wissen was der Andere gerade durchmacht.
Nicht selten erfahre ich am Telefon, das Angehörige in Beratungsstellen abgewiesen werden. Wer fragt denn was aus ihnen wird wenn der Partner erfolgreich eine Therapie gemacht hat und dafür viel Anerkennung erhält? Für mich sind die Angehörigen mit die wichtigsten
Personen in der Suchtselbsthilfe.
Holen wir sie mit ins Boot! Wir brauchen sie und sie brauchen uns.
LG Karin
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