Erfahrungen einer Angehörigen

03.04.2015 18:50
#1
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Hallo, Ich bin Elisabeth und Angehörige, Ehefrau eines Alkoholikers. Es hat lange gedauert bis ich das sagen konnte, ich habe mich geschämt.
Mein Mann ist seit gut zwanzig Jahren "trocken", aber die Zeit, wo er getrunken hat, vergesse ich nicht. Sie tritt immer weiter in den Hintergrund, verschwindet fast und ist manchmal ganz schnell wieder da.Eine Begebenheit: Mein Mann war schon ein paar Jahre trocken. Er hatte überwiegend Rum getrunken.Ich komme in den Keller und auf der staubigen Flasche sind Fingerabdrücke."Pink" und alles war wieder präsend. Das brauchte kein Sekunde. Das Thema ist da, weit weg aber vorhanden.
Die Sache hat sich aufgeklärt. Unsere Tochter hatte sich Rum geholt für einen Kuchen.
Aber zum Anfang. Wir haben geheiratet,2 Kinder bekommen, gearbeitet, gefeiert. Ich war Hausfrau und Mutter(zu der Zeit üblich) mein Mann arbeitete als Elektriker.Alkohol wurde zu Feiern getrunken und auch abends mal ein Bier. Ich trinke wenig, da ich es nicht vertrage. Wir ziehen um, mein Mann findet Kontakt, geht zum Kegeln und zum Singen und " schaut auch mal zu tief ins Glas". Wir bauen und zum Schluss der Bauphase helfen uns Kollegen die recht viel trinken und mein Mann hält mit. Jetzt wird der Alkohol langsam ein Problem (oder Problemlöser?).
Nach dem Einzug wird es für kurze Zeit besser. Dann braucht mein Mann öfter Rum. "Ich glaube ich bekomme ein Erkältung,einen Grog".Erst eine Flasche am Wochenende, dann noch eine über die Woche, dann noch mehr und zum Schluss eine Flasche am Tag. Er war nicht sturzbetrunken aber nie nüchtern.
Ich schimpfe:"Das hält dein Gesundheit nicht aus und auch nicht unser Portemanei"
Er versucht aufzuhören, öfter, es klappt nicht.
Ich entschudige ihn, wenn er zu Familienfeiern nicht mitkommt, was vergisst, sein Zusagen nicht einhält.
Ich lüge um glaubhaft zu sein. Ich hole ihm Alkohol (am Kiosk ist er doppelt so teuer).Zu Hause tut mein Mann wenig, er schüttet nach und schläft. Ich kann nichts mit ihm besprechen (später, nicht jetzt).
Ich weiss nicht was ich machen soll. Reden hilft nicht (ich rede gegen die Wand). Schimpfen bringt auch nichts. Ich glaube, ich bin schuld. Was kann ich ändern.Ich mache alles falsch. Ich erlaube den Kindern was (wie kannst du?). Ich frage (später). Ich traue mir nichts mehr zu. Ich habe Angst,bin traurig, bin wütend, zornig. Wenn er mit dem Auto fährt, wünsche ich mir, dass er angehalten wird und habe gleichzeitig Angst davor.Es kommt öfter zum Streit, weil ich immer allein mit den Kindern was machen soll. Will er was machen, dann jetzt, und alle sollen parat stehen. Ich mache Sachen, die ich gar nicht will, damit er zufrieden ist.
Ich wage mit keinem darüber zu sprechen.
Mein Mann hat Entzugserscheinungen. Jetzt muss er trinken, damit überhaupt was geht. Er muss nachts nachschütten. Das Bett bebt,wenn er zittert. Langsam ist es mir gleich (soll er doch auf allen Vieren zum Kühlschrank). Ich resigniere. Ich weiß nicht weiter. Ich weine oft. Ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll.
Jetzt spricht mein Mann mit seinem Hausarzt.Kurz darauf erfährt er von einer Selbsthilfegruppe. Nach einem Versuch zu Hause mit dem Trinken aufzuhören, geht er ins Krankenhaus zur Entgiftung(ich wäre am liebsten in ein Mauseloch verschwunden).

Ich gehe zur Selbsthilfegruppe und trotz der großen Angst (hoffentlich kennt mich keiner )erfahre ich eine große Erleichterung."Ich bin nicht die Einzige,der es so geht " und hier kann ich reden und hier versteht man mich.
Die Zeit ist "Gott sei Dank " vorbei. Mein Mann und ich leben zufrieden zusammen. Der Anfang war nicht leicht, aber es hat sich gelohnt. Mein Mann ist nicht der Alte, aber was ich an ihm liebe ist wieder da und noch mehr.


Ich möchte mit diesem Beitrag den Angehörigen mut machen

Elisabeth


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03.04.2015 20:40
avatar  Robert
#2
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Einfach Klasse - Das wäre ein Musterbeitrag für eine Präsentation oder auch ein Seminar - Danke für die Offenheit.


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